Kotlin: Ein fließender Übergang von Java
Als Android 2008 auf den Markt kam, konnten App-Entwickler:innen praktisch nur Java für ihre Android-Anwendungen nutzen. Das neue, offene mobile Betriebssystem sollte immerhin dem Konkurrenten Apple Marktanteile streitig machen. Java als Standardsprache bot hierfür klare Vorteile: Zum einen läuft Java auf jedem Gerät mit einer Java Virtual Machine (JVM), was eine breite Kompatibilität gewährleistet. Zum anderen zählte die Sprache viele aktive Entwickler:innen. Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, bis das in die Jahre gekommene Java von einer moderneren Programmiersprache abgelöst wurde.
JetBrains, die Macher der berühmten integrierten Entwicklungsumgebung IntelliJ IDEA, präsentierten schließlich eine brauchbare Java-Alternative für die Entwicklung von Android-Apps: Kotlin (benannt nach der Insel Kotlin nahe Sankt Petersburg, in Analogie zur indonesischen Insel Java) ist eine plattformübergreifende, statisch typisierte Programmiersprache, die mit Java interoperabel ist, alle Java-Bibliotheken aufrufen kann und zu Java-Bytecode kompiliert.
Kotlin wurde 2019 von Google zur offiziellen Sprache für die Android-Entwicklung erklärt. Sie ist derzeit die am häufigsten verwendete Sprache für die Plattform.
Die Kompatibilität von Kotlin mit Java ermöglicht es Entwickler:innen, ihre bestehenden Anwendungen reibungslos von einer Sprache in die andere zu übertragen. Kotlin-Code kann Java-Code aufrufen und umgekehrt – somit können beide Sprachen sogar innerhalb derselben Code-Basis koexistieren.
Obwohl Kotlin eng mit der Android-Entwicklung verbunden ist, lässt sich damit Code für eine Vielzahl von Plattformen schreiben, darunter auch iOS. Das Kotlin Multiplatform-Framework verwendet eine gemeinsame Code-Basis für die App-Logik, die von verschiedenen plattformspezifischen Modulen verwendet werden kann.
Für die Erstellung von plattformübergreifenden Benutzeroberflächen können Entwickler:innen beispielsweise Compose Multiplatform verwenden.
Die Programmiersprache selbst bietet folgende Vorteile:
- Präzision und Lesbarkeit: Die Stärken von Kotlin liegen in der knappen und ausdrucksstarken Syntax, mit der sich Boilerplate-Code minimieren lässt. Die Entwicklung mit Kotlin fördert sauberen, gut lesbaren Code, sodass Entwickler:innen ihre Projekte einfacher überblicken und pflegen können.
- Nullsicherheit: Kotlin-Code läuft unter anderem dank nullbaren und nicht-nullbaren Typen, sicheren Aufrufen und dem elvis-Operator äußerst zuverlässig. Durch die explizite Aufnahme der Nullbarkeit in das Typsystem minimiert Kotlin Laufzeitabstürze durch Null-Referenzen.
- Erweiterungsfunktionen: Entwickler:innen können bestehende Klassen mit neuen Funktionen erweitern, ohne die ursprüngliche Code-Struktur zu ändern, was die Modularität und Erweiterbarkeit des Codes verbessert.
- Koroutinen für asynchrone Programmierung: Kotlins native Unterstützung von Koroutinen vereinfacht die asynchrone Programmierung, ein wichtiger Aspekt der modernen Anwendungsentwicklung. Mit Koroutinen können Entwickler:innen asynchronen Code auf eine sequenzielle, intuitive Art und Weise schreiben, was die Lesbarkeit und Wartbarkeit des Codes verbessert.
Swift: Höchste Sicherheit und Leistungsfähigkeit
Kotlin kann als moderne Antwort auf Java verstanden werden. Auf ganz ähnliche Weise löste Swift die Programmiersprache Objective-C als Standard für die iOS- und macOS-Entwicklung ab.
Objective-C wurde 1984 entwickelt und hat große Ähnlichkeiten zu C. Später übernahm Apple Objective-C als Standardprogrammiersprache für macOS. Als die Entwicklung mobiler Apps in den 2010er Jahren Fahrt aufnahm, benötigte Apple eine auf sein Ökosystem zugeschnittene Programmiersprache mit modernen Funktionen, die Entwickler:innen inzwischen von Sprachen wie Ruby oder Python gewohnt waren. So entstand Swift in Zusammenarbeit von Apple und der Open-Source-Community. Dabei lag das Augenmerk darauf, eine besonders sichere und leistungsfähige Sprache zu entwickeln.
Wie Kotlin ist Swift statisch typisiert, was Laufzeitfehler im Zusammenhang mit Typinkongruenzen verringert und so die Zuverlässigkeit des Codes erhöht. Es bietet auch automatische Speicherverwaltung durch Automatic Reference Counting (ARC), was Speicherlecks und damit verbundene Abstürze verhindert.
Weitere Vorteile von Swift sind:
- Präzision und Lesbarkeit: Wie Kotlin verfügt auch Swift über eine knappe und ausdrucksstarke Syntax, die die Lesbarkeit und Wartbarkeit des Codes erhöht. Es bietet zudem moderne Sprachfunktionen wie Optionals für die Behandlung von Nullwerten und Guard-Anweisungen für eine robuste Fehlerbehandlung, die zur Erstellung von sichererem und robusterem Code beitragen.
- Leistung: Swift ist darauf ausgelegt, schnell und effizient zu sein. Die Sprache bietet Entwickler:innen wichtige Tools (etwa Grand Central Dispatch für die konkurrente Programmierung) und Optimierungstechniken, die die zugrunde liegenden Hardware-Funktionen nutzen. Diese Eigenschaften machen Swift zur idealen Wahl für ressourcenintensive Aufgaben, beispielsweise Gaming-Anwendungen.
- Integration in das Apple-Ökosystem: Swift ist tief im Apple-Ökosystem verwurzelt und lässt sich nahtlos in die Cocoa- und Cocoa Touch-Frameworks integrieren. Diese Integration gibt Entwickler:innen ein leistungsstarkes Werkzeug an die Hand, das die Erstellung robuster, auf iOS und macOS zugeschnittener Anwendungen erleichtert.
- Plattformintegration und Lesbarkeit: iOS- und macOS-Entwickler:innen profitieren von Swifts Sicherheit, Leistung und moderner Syntax. Die Integration der Sprache in das Apple-Ökosystem und ihr Fokus auf Lesbarkeit machen sie zu einer überzeugenden Wahl für diejenigen, die sich der Apple-Plattform verschrieben haben. Obwohl die plattformübergreifende Entwicklung in Swift nicht so einfach ist wie in Kotlin, kann sich dies durch die fortlaufende Weiterentwicklung in diese Richtung in Zukunft ändern.
Die Cross-Platform-Entwicklung mit Kotlin und Swift
Die von Google und Apple gewählten Programmiersprachen sind vergleichbar leistungsfähige Werkzeuge für die Entwicklung nativer Mobilanwendungen. Wenn es aber um die plattformübergreifende Entwicklung geht, hat Kotlin die Nase vorn.
Mittels Kotlin Multiplattform kann eine gemeinsame Code-Basis über mehrere Plattformen hinweg genutzt werden – für Android und iOS ebenso wie für Backend-Systeme. Dieser Shared-Code-Ansatz erlaubt es Entwickler:innen, plattformspezifischen Code zu schreiben, wann immer dies erforderlich ist. Der Großteil des Codes bleibt aber plattformunabhängig. Durch die Interoperabilität mit Java können Entwickler:innen zudem vorhandene Java-Bibliotheken verwenden, was die Entwicklung von Android-Apps erleichtert.
Darüber hinaus ermöglicht Kotlin/Native die native Kompilierung und erweitert damit seine Reichweite über die JVM hinaus, um eigenständige ausführbare Dateien und Kompatibilität mit Plattformen wie iOS zu ermöglichen.
Swift ist hingegen auf das Apple-Ökosystem zugeschnitten und dient primär als Sprache für die Entwicklung für iOS, macOS, watchOS und tvOS. SwiftUI, ein deklaratives UI-Framework, vereinfacht die Erstellung von Benutzeroberflächen auf allen Apple-Plattformen.
Für die Entwicklung auf anderen Plattformen ist Swift weniger gut geeignet. Es gibt zwar Community-Initiativen, um plattformübergreifende Bibliotheken erstellen, beispielsweise Swift for TensorFlow. Diese Bemühungen sind aber weniger ausgereift und verbreitet als die plattformübergreifenden Möglichkeiten von Kotlin.
Kotlin oder Swift: Was ist die richtige Wahl für Ihr Projekt?
Die Entscheidung zwischen Kotlin und Swift hängt maßgeblich von Ihrer Antwort auf die beiden folgenden Fragen ab:
- Ist Ihre oberste Priorität Android oder iOS?
- Möchten Sie Ihre App für mehr als eine Plattform entwickeln?
Entwicklungsteams, die hauptsächlich auf das Apple-Ökosystem abzielen, sollten Swift wählen, während für die native Android-Entwicklung Kotlin die richtige Sprache ist.
Aufgrund der Interoperabilität mit Java kann Kotlin auch als plattformübergreifendes Entwicklungswerkzeug eingesetzt werden. Allerdings sollte es dann mit anderen beliebten Frameworks wie Flutter, React Native und Xamarin verglichen werden, die alle ihre Vor- und Nachteile haben.
Diese schiere Vielfalt an Sprachen und Frameworks für die Entwicklung mobiler Apps mag auf den ersten Blick einschüchternd sein, doch wenn Sie alle Aspekte Ihres Projekts berücksichtigen, wird sich schnell ein Favorit herauskristallisieren.